Logo

Suchen in Key Concepts Online

Begriff Affektive Medienpraktiken

Affektive Medienpraktiken

  • Version 1.0
  • Veröffentlicht 4. Januar 2023

Affektive Medienpraktiken beschreiben das emotions- und affektbasierte Rezeptions- und Aneignungsverhalten von Mediennutzer:innen. Das Konzept erlaubt es, sowohl das körperliche Affizierungsgeschehen während der Mediennutzung als auch die diskursive Verhandlung dieses Affizierungsgeschehens analytisch zu fassen. Dem Konzept liegt die Annahme zugrunde, dass Medien Emotionen und Affekte nicht nur zeigen, sondern diese auch erzeugen, bestimmte Formen und Ausdrucksweisen des Fühlens sichtbar machen und legitimieren, andere jedoch wiederum ausschließen. Ausgehend von einer praxistheoretischen Perspektive kann somit angenommen werden, dass Mediennutzer:innen auf dieses medial produzierte Wissen zurückgreifen und sich bestimmte Emotionsregeln (feeling rules) und Emotionsrepertoires in je unterschiedlicher Form und Intensität aneignen. Dabei entstehen wechselseitige Affizierungsprozesse, die auch Momente der Veränderung, Brüche und Transformation umfassen. Einem relationalen Affektbegriff entsprechend, beschreiben affektive Medienpraktiken jene Affizierungsweisen und ihre körperlichen sowie diskursiven Erscheinungsformen, die im relationalen Geschehen zwischen Akteur:innen (Mediennutzer:innen sowie -produzent:innen), Medienangebot, medialen Technologien und deren Aneignung entstehen.

Das Konzept wurde insbesondere in Bezug auf Fernsehnutzung und dabei entstehendes Affizierungsgeschehen empirisch untersucht. Als Teil einer Studie über die Produktion und Rezeption von Reality TV wurden Zuschauer:innen der Reality TV Show Germany’s Next Top Model in der heimischen Rezeptionssituation beobachtet, diese Beobachtung per Video dokumentiert und im Anschluss Interviews geführt. Dabei wurde untersucht, wie Emotionen und Affekte wie Spannung, Ekel, Begeisterung, Scham, Wut oder Empörung, die im und durch Reality TV produziert werden, Ausdruck in den Körpern der Zuschauenden finden. So lässt sich das Handeln mit Medien und damit verbunden auch die Zirkulation von Affekten zwischen den (menschlichen und medientechnologischen) Körpern als affektive Praxis analytisch fassen. Das Konzept wird aber auch vermehrt in Bezug auf Social Media Nutzung diskutiert. Praktiken, die in Interaktion zwischen Nutzer:innen, digitalen Infrastrukturen und Social-Media-Posts entstehen – wie Liken, Teilen oder Kommentieren – aber auch diejenigen, die explizit Emotionen und Affekte mobilisieren, wie Trolling, Cyberbullying oder Hate Speech und Online Shaming, können als affektive Medienpraktiken beschrieben werden. 

Publikationen aus dem SFB Affective Societies

  • Lünenborg, M. (2021). Soziale Medien, Emotionen und Affekte. In J.-H. Schmidt & M. Taddicken (Eds.), Handbuch Soziale Medien (pp. 1–18). Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03895-3_24-1
  • Lünenborg, M., & Maier, T. (2019). Analyzing affective media practices by the use of video analysis. In A. Kahl (Ed.), Analyzing affective societies: Methods and methodologies (pp. 140–161). Routledge.
  • Lünenborg, M., Töpper, C., Suna, L., & Maier, T. (2021). Affektive Medienpraktiken: Emotionen, Körper, Zugehörigkeiten im Reality TV. Springer VS.

Sonstige Quellen

Nikunen, K. (2018). From irony to solidarity: Affective practice and social media activism. Studies of Transition States and Societies, 10(2), 10–21.

Raetzsch, C., & Lünenborg, M. (2020). Anchoring practices for public connection: Media practice and its challenges for journalism studies. International Journal of Communication, 14, 2868–2886.

Wetherell, M. (2013). Affect and discourse—What’s the problem? From affect as excess to affective/discursive practice. Subjectivity, 6(4), 349–368.

Zitierweise

SFB 1171: „Affektive Medienpraktiken“. In: Affective Societies: Key Concepts Online. Published by SFB 1171 Berlin, 4. Januar 2023.