Affektive Medienpraktiken beschreiben das emotions- und affektbasierte Rezeptions- und Aneignungsverhalten von Mediennutzer:innen. Das Konzept erlaubt es, sowohl das körperliche Affizierungsgeschehen während der Mediennutzung als auch die diskursive Verhandlung dieses Affizierungsgeschehens analytisch zu fassen. Dem Konzept liegt die Annahme zugrunde, dass Medien Emotionen und Affekte nicht nur zeigen, sondern diese auch erzeugen, bestimmte Formen und Ausdrucksweisen des Fühlens sichtbar machen und legitimieren, andere jedoch wiederum ausschließen. Ausgehend von einer praxistheoretischen Perspektive kann somit angenommen werden, dass Mediennutzer:innen auf dieses medial produzierte Wissen zurückgreifen und sich bestimmte Emotionsregeln (feeling rules) und Emotionsrepertoires in je unterschiedlicher Form und Intensität aneignen. Dabei entstehen wechselseitige Affizierungsprozesse, die auch Momente der Veränderung, Brüche und Transformation umfassen. Einem relationalen Affektbegriff entsprechend, beschreiben affektive Medienpraktiken jene Affizierungsweisen und ihre körperlichen sowie diskursiven Erscheinungsformen, die im relationalen Geschehen zwischen Akteur:innen (Mediennutzer:innen sowie -produzent:innen), Medienangebot, medialen Technologien und deren Aneignung entstehen.
Das Konzept wurde insbesondere in Bezug auf Fernsehnutzung und dabei entstehendes Affizierungsgeschehen empirisch untersucht. Als Teil einer Studie über die Produktion und Rezeption von Reality TV wurden Zuschauer:innen der Reality TV Show Germany’s Next Top Model in der heimischen Rezeptionssituation beobachtet, diese Beobachtung per Video dokumentiert und im Anschluss Interviews geführt. Dabei wurde untersucht, wie Emotionen und Affekte wie Spannung, Ekel, Begeisterung, Scham, Wut oder Empörung, die im und durch Reality TV produziert werden, Ausdruck in den Körpern der Zuschauenden finden. So lässt sich das Handeln mit Medien und damit verbunden auch die Zirkulation von Affekten zwischen den (menschlichen und medientechnologischen) Körpern als affektive Praxis analytisch fassen. Das Konzept wird aber auch vermehrt in Bezug auf Social Media Nutzung diskutiert. Praktiken, die in Interaktion zwischen Nutzer:innen, digitalen Infrastrukturen und Social-Media-Posts entstehen – wie Liken, Teilen oder Kommentieren – aber auch diejenigen, die explizit Emotionen und Affekte mobilisieren, wie Trolling, Cyberbullying oder Hate Speech und Online Shaming, können als affektive Medienpraktiken beschrieben werden.