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(P)reenactment

  • Version 1.0
  • Veröffentlicht 4. Januar 2023

Während das Reenactment in der Theaterpraxis und Geschichtsdidaktik die Rekonstruktion bzw. Wiederaufführung eines historischen Ereignisses bezeichnet, überträgt der SFB den Begriff auf das Wieder-Aufführen von Emotionen. Insbesondere dem in künstlerischen wie auch in anderen sozial-relationalen Kontexten wirksamen Aufführungscharakter verdankt das Reenactment als performative Praxis des Darstellens distinkter Emotionen aus kollektiv geteilten Emotionsrepertoires sein Potenzial, diese erfahrungsbasierten Verkörperungsvorgänge zugleich auch reflexiv zugänglich zu machen.   

Insofern es sich beim Reenactment um die Aktualisierung von etwas Vergangenem in der Gegenwart mit dem Potential weiterer Wiederholungen in der Zukunft handelt, ist ihm eine spezifische zeitliche Verschränktheit eingeschrieben, die der SFB mit dem Konzept des (P)reenactments fokussiert. In Ausdifferenzierung zu Konzepten wie der Präfiguration oder der Premediation, die Konstellationen mediatisierten Antizipierens bestimmter Inhalte und Repräsentationen bezeichnen, akzentuiert das (P)reenactment gerade die Zeitlichkeiten von Affizierungsdynamiken und verkörperten Emotionen selbst.

Während Preenactments als künstlerische Aufführungsformate der Gegenwart z.B.  dystopische Erfahrungsräume gestalten, zukünftige Szenarien kollektiv erproben oder zu künftigen Handlungsweisen animieren, adressieren wir mit dem (P)reenactment in künstlerischen Zusammenhängen wie auch über sie hinaus dezidiert die Potentialität(en) zum Aufführen neuer Fühlweisen. Mit diesen ist nicht zuletzt auch eine mögliche performative Neuaufteilung eingeübter Affizierungs- und Empfindungsweisen, die sich in verschiedenen sozial-relationalen sowie technologiebasierten Kontexten beobachten lassen, verbunden. (P)Reenactment ist mit seiner prospektiven Dimension zudem ein prädestiniertes Konzept für die affekttheoretische Analyse von veränderten Zeitpraktiken sowie Zeitgefühlen angesichts sich verändernder Zeitregime im Anthropozän.

Publikationen aus dem SFB Affective Societies

  • Czirak, A., Nikoleit, S., Oberkrome, F., Straub, V., Wal­ter-Jochum, R. & Wetzels, M. (Hrsg.) (2019). Performance zwischen den Zeiten. Reenactments und Preenactments in Kunst und Wissenschaft. Bielefeld: transcript.

  • Kolesch, D., Schütz, T. & Nikoleit, S. (Eds.) (2019). Staging Spectators in Immersive Performances. Commit Yourself! London, New York: Routledge.

Sonstige Quellen

Blumenberg, H. (2014). Präfiguration. Arbeit am politischen Mythos. Berlin: Suhrkamp.

Grusin, R. (2010). Premediation. Affect and Mediality after 9/11. Houndmills, Basingstoke: Palgrave.

Kaiser, C. (Hrsg.) (2012). Pre-, Re- und Enactment zwischen Theater und Therapie. Bielefeld: transcript.

Magelssen, S. (2014). Simming. Participatory Performance and the Making of Meaning. Ann Arbor, Mich.: University of Michigan Press.

Marchart, O. (2019). Conflictual Aesthetics. Artistic Activism and the Public Sphere. Berlin: Sternberg Press.

Roselt, J. & Otto, U. (2014). Theater als Zeitmaschine. Zur performativen Praxis des Reenactments. Bielefeld: transcript.

van de Sande, Mathijs (2019). Prefiguration. In H. Paul (Ed.), Critical Terms in Futures Studies (pp. 227–233). Cham: Palgrave.

Zitierweise

Theresa Schütz: „(P)reenactment“. In: Affective Societies: Key Concepts Online. Published by SFB 1171 Berlin, 04.01.2023.