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Begriff Zugehörigkeit/Belonging

Zugehörigkeit/Belonging

  • Version 1.0
  • Veröffentlicht 4. November 2022

Zugehörigkeit/Belonging beschreibt eine längerfristige, jedoch verschiedenen Veränderungen ausgesetzte Bindung, sei es zwischen Individuen und Kollektiven, Individuen und Orten oder Kollektiven und Orten. Der Begriff gewinnt zunehmend an Bedeutung für die sozialwissenschaftliche Analyse verschiedenster Phänomene im Kontext von Globalisierung, Transnationalismus, Mobilität und Migration. Sein Potenzial ergibt sich insbesondere daraus, dass mit ihm heterogene relationale Prozesse fokussiert werden können, die sowohl affektive Interaktionen und Verbindungen zwischen Menschen als auch zwischen Menschen und der nicht-menschlichen Sphäre umfassen. Im Sinne einer affektiven sozialen Verortung entstehen Gefühle der Zugehörigkeit etwa durch das Eingebettetsein in eine Gruppe von Menschen, in der man aufgrund affektiver Resonanz und/oder geteilter Wertvorstellungen, Wissensbestände und Praktiken Gemeinsamkeit und Gegenseitigkeit erfährt. Darüber hinaus entwickeln soziale Akteure aber auch attachments beispielsweise an bestimmte Objekte, materielle Umgebungen, Orte und Sprachen, die ganz wesentlich dazu beitragen, dass sie sich zugehörig fühlen.

Aufgrund seines morphologischen Bestandteils –longing im Sinne eines sehnsüchtigen Verlangens und Strebens ist der englische Begriff belonging an sich bereits affektiv konnotiert. Darüber hinaus sind aus affekttheoretischer Perspektive drei eng verzahnte Dimensionen der Zugehörigkeit von besonderer Relevanz: Die politische Dimension bezieht sich auf Fragen und Prozesse der Staatsangehörigkeit und Bürgerrechte, der Territorialität und Assimilation sowie der sozialen und räumlichen Ausgrenzung. Durch die räumlich-zeitliche Dimension wird das Augenmerk auf die vielfältigen, immer auch zeitintensiven Praktiken der Verortung (place-making) sozialer Akteure gerichtet, die wesentlich auch affektive Dimensionen umfassen. Im Migrationskontext kommt darüber hinaus der Etablierung und Aufrechterhaltung spezifischer Kulturen der Erinnerung an zurückgelassene Herkunftskontexte eine besondere Rolle zu, was wiederum auf die enge Verbindung räumlicher und temporaler Aspekte hinweist. Schließlich verweist die sensorische Dimension auf die fundamentale Bedeutung sinnlichen Erlebens für die Entstehung von (Nicht-)Zugehörigkeitsgefühlen.

Im SFB wurde und wird Zugehörigkeit/Belonging in unterschiedlichen Konstellationen erforscht, etwa mit Blick auf die Herstellung und Aushandlung multipler Zugehörigkeiten bei vietnamesischen Migrant*innen in Berlin, in Bezug auf die affektiven Prozesse, die sich in der transkulturellen deutschsprachigen Gegenwartsliteratur in ‚geteilten‘ Gefühlen von Zugehörigkeit und Verhältnissen zur Stadt Berlin manifestieren, bezüglich der Rolle körperlich-affektiver religiöser Praxis für das Entstehen von Zugehörigkeiten in diasporischen Religionsgemeinschaften in Berlin und künftig auch mit Blick auf die spezifisch affizierende, immersive Macht olfaktorischer Zugehörigkeitsfabrikation in den urbanen Zentren von Istanbul und Berlin.

Publikationen aus dem SFB Affective Societies

  • Acker, M., & Fleig, A. (2019). Der Schein des Dazugehörens: Zugehörigkeit als geteiltes Gefühl in Herta Müllers Poetik-Vorlesungen. In: D. Freist, S. Kyora, & M. Unseld (Eds.), Transkulturelle Mehrfachzugehörigkeiten: Räume, Materialitäten, Erinnerungen (pp. 153-168). Bielefeld: transcript.
  • Mattes, D., Kasmani, O., Acker, M., und Heyken, E. (2019). Belonging. In: J. Slaby und C. von Scheve (Hg.), Affective Societies: Key Concepts (300-309). London: Routledge.
  • Röttger-Rössler, B. (2016). Multiple Zugehörigkeiten: Eine emotionstheoretische Perspektive auf Migration. Working Paper SFB 1171 Affective Societies 04/16. Retrieved from: http://edocs.fu-berlin.de/docs/receive/FUDOCS_series_000000000562.
  • von Poser, A., Lanca, J.-C., & Heyken, E. (2017). “Endlich darüber reden können”: Psychiatrie als affektiver Artikulationsraum und die Formierung transkultureller Emotionsrepertoires im Migrationsprozess. In: B. Kocatürk-Schuster, A. Kolb, T. Long, G. Schultze, & S. Wölck (Eds.), UnSichtbar: Vietnamesisch-Deutsche Wirklichkeiten (pp. 256–273). Berlin: edition DOMiD.

Sonstige Quellen

Ahmed, S. (1999). Home and away: Narratives of migration and estrangement. International Journal of Cultural Studies, 2(3), 329–347.

Anthias, F. (2013). Identity and belonging: Conceptualisations and political framings. KLA Working Paper Series no. 8. Kompetenznetz Lateinamerika – Ethnicity, Citizenship, Belonging. Retrieved from: www.kompetenzla.uni-koeln.de/fileadmin/WP_Anthias.pdf.

Freeman, E. (2007). Queer belongings: Kinship theory and queer theory. In: G. Haggerty & M. McGarry (Eds.), A companion to lesbian, gay, bisexual, transgender, and queer studies (pp. 295–304). Oxford: Blackwell.

Lähdesmäki, T., Saresma, T., Hiltunen, K., Jäntti, S., Sääskilathi, N., Vallius, A., & Ahvenjärvi, K. (2016). Fluidity and flexibility of “belonging”: Uses of the concept in contemporary research. Acta Sociologica, 59(3), 233–247.

Pfaff-Czarnecka, J. (2012). Zugehörigkeit in der mobilen Welt: Politiken der Verortung. Göttingen: Wallstein.

Zitierweise

SFB 1171: „Zugehörigkeit/Belonging“. In: Affective Societies: Key Concepts Online. Published by SFB 1171 Berlin, 4. November 2022.