Affektive Relationalität bezeichnet ein zentrales theoretisches Paradigma, das unseren Begriffsbildungen zu Affektivität und Emotionalität sowie unseren Forschungsansätzen insgesamt zugrunde liegt: Die Herangehensweise an affektive Phänomene geht weniger von den Individuen als von Relationen aus. Das bedeutet eine Abkehr von dem in der Forschungsliteratur oft unterstellten Verständnis, Emotionen und Affekte seien innere Zustände von Individuen. Vielmehr verstehen wir Affekte als Prozesse des Affizierens und Affiziertwerdens zwischen Akteuren, Kollektiven und Umgebungen. Indem wir Affekte als Wechselwirkungsdynamiken auffassen, besitzen sie zunächst nicht den statischen Charakter von Zuständen. Durch diese begriffliche Orientierung, die Relationalität als primäre Größe betrachtet, erscheint die individuelle Zuschreibbarkeit von Emotionen oder Affekten als abgeleitete Frage, die je spezifisch aus der relationalen Konfiguration des situierten Subjekts heraus zu beantworten ist. Damit richtet sich der Blick des SFB grundsätzlich auf die dynamische Situiertheit und umweltliche Eingebundenheit von Akteur:innen. Nur vor diesem Hintergrund kommen individuelle Eigenschaften, Vermögen und Handlungsweisen in den Blick, die somit ebenfalls als im Kern relationale Phänomene verstanden werden.
Der Ansatz der affektiven Relationalität kann auf verschiedenen Ebenen konkretisiert werden. Eine wichtige Dimension ist die stets sozial situierte Ontogenese des Individuums, also das Feld affektiver Relationen im frühkindlichen Heranwachsen, in dem wesentliche Aspekte individueller affektiver Dispositionen sowie Gefühle von Zugehörigkeit/Belonging ausgestaltet werden. Hierauf fokussieren die im SFB betriebenen Studien zur Gefühlsbildung in unterschiedlichen Kontexten. Eine weitere Konkretisierungsebene affektiver Relationalität sind die Ensembles der relationalen Entfaltung von Affekten in der Gegenwart, die wir unter dem Begriff der affektiven Arrangements in den Blick nehmen. Schließlich ist auch das im SFB neu geprägte Konzept des Emotionsrepertoires als relationales Phänomen angelegt, insofern es dabei um in lokalen Kontexten ausgeformte Ausdrucks- und Verhaltensweisen geht, die wir als Konsolidierungsformen eines affektiven Bezugsgeschehens verstehen.