Eine affektive Disposition ist die spezifische Fähigkeit eines Individuums, zu affizieren und durch andere affiziert zu werden. Sie ist einerseits geprägt durch affektive Spuren vergangener Ereignisse und Relationen des Individuums und insofern Produkt seiner/ihrer (biographischen) Geschichte. Andererseits hängt es vom gegenwärtigen relationalen Kontext ab, welche Aspekte der affektiven Disposition eines Individuums sich entfalten und in Erscheinung treten können. In der Philosophie bezeichnet der Begriff der „Disposition“ das spezifische Vermögen eines Dings, auf andere einzuwirken oder Einwirkungen anderer zu erleiden. Da wir Affekt grundlegend als relationales Wirkungsgeschehen begreifen, lässt sich diese Begriffsbildung auf affektive Wirkverhältnisse übertragen. Dispositionen können dabei latent bleiben und erst in bestimmten Konstellationen manifest werden, weshalb „affektive Disposition“ ein relationaler Potenzialbegriff ist.
Besonders im Englischen besitzt der Begriff disposition eine Doppeldeutigkeit, die auch unsere Verwendung des Begriffs informiert: Einerseits werden damit charakteristische Tendenzen eines Individuums bezeichnet, auf bestimmte Einflüsse zu reagieren (Charakter, Temperament, psychologische Charakteristika). Zugleich kann Disposition das Vermögen einer äußeren Struktur bezeichnen, über ein Individuum zu verfügen – man wird durch die Umgebung, beispielsweise durch entsprechend gestaltete institutionelle Räume zu bestimmten affektiven Reaktionsweisen disponiert (vgl. institutionelle Affektivität). In Analogie hierzu bezeichnet der Begriff der affektiven Disposition sowohl die charakteristischen Tendenzen eines Individuums, auf bestimmte affektive Dynamiken in bestimmter Weise zu reagieren, als auch die Anfälligkeit eines Individuums, durch affektive Dynamiken vereinnahmt, beeinflusst und mitunter „fremdgesteuert“ zu werden.