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Begriff Affektive Disposition

Affektive Disposition

  • Version 1.0
  • Veröffentlicht 4. November 2022

Eine affektive Disposition ist die spezifische Fähigkeit eines Individuums, zu affizieren und durch andere affiziert zu werden. Sie ist einerseits geprägt durch affektive Spuren vergangener Ereignisse und Relationen des Individuums und insofern Produkt seiner/ihrer (biographischen) Geschichte. Andererseits hängt es vom gegenwärtigen relationalen Kontext ab, welche Aspekte der affektiven Disposition eines Individuums sich entfalten und in Erscheinung treten können. In der Philosophie bezeichnet der Begriff der „Disposition“ das spezifische Vermögen eines Dings, auf andere einzuwirken oder Einwirkungen anderer zu erleiden. Da wir Affekt grundlegend als relationales Wirkungsgeschehen begreifen, lässt sich diese Begriffsbildung auf affektive Wirkverhältnisse übertragen. Dispositionen können dabei latent bleiben und erst in bestimmten Konstellationen manifest werden, weshalb „affektive Disposition“ ein relationaler Potenzialbegriff ist.

Besonders im Englischen besitzt der Begriff disposition eine Doppeldeutigkeit, die auch unsere Verwendung des Begriffs informiert: Einerseits werden damit charakteristische Tendenzen eines Individuums bezeichnet, auf bestimmte Einflüsse zu reagieren (Charakter, Temperament, psychologische Charakteristika). Zugleich kann Disposition das Vermögen einer äußeren Struktur bezeichnen, über ein Individuum zu verfügen – man wird durch die Umgebung, beispielsweise durch entsprechend gestaltete institutionelle Räume zu bestimmten affektiven Reaktionsweisen disponiert (vgl. institutionelle Affektivität). In Analogie hierzu bezeichnet der Begriff der affektiven Disposition sowohl die charakteristischen Tendenzen eines Individuums, auf bestimmte affektive Dynamiken in bestimmter Weise zu reagieren, als auch die Anfälligkeit eines Individuums, durch affektive Dynamiken vereinnahmt, beeinflusst und mitunter „fremdgesteuert“ zu werden.

Publikationen aus dem SFB Affective Societies

  • Mühlhoff, R. (2019). Affective disposition. In: J. Slaby und C. von Scheve (Hg.), Affective Societies: Key Concepts (119-130). London: Routledge.
  • Mühlhoff, R. (2015). Affective resonance and social interaction. Phenomenology and the Cognitive Sciences, 14(4), 1001–1019.

Sonstige Quellen

Adorno, T. W., Frenkel-Brunswik, E., Levinson, D. J., & Sanford, R. N. (1950). The authoritarian personality. Studies in Prejudice (Vol 1). New York: Norton.

Bourdieu, P. (1990). The logic of practice. Redwood: Stanford University Press. (Original work published in 1980.)

Deleuze, G. (1990). Expressionism in philosophy: Spinoza. New York: Zone Books. (Original work published in 1968.)

Massumi, B. (2005). Fear (the spectrum said). positions: East Asia cultures critique, 13(1), 31–48.

Spinoza, B. (1985). Ethics. In: E. Curley (Ed. and Trans.), The collected works of Spinoza (Vol. 1). Princeton: Princeton University Press. (Original work published in 1677.)

Zitierweise

Rainer Mühlhoff: „Affektive Disposition “. In: Affective Societies: Key Concepts Online. Published by SFB 1171 Berlin, 4. November 2022.